Mit Holländern durch die Berge

Ihr kennt das vielleicht auch. Ein Kumpel fragt euch was und ihr sagt "Ja, Ja" ohne weiter darüber nachzudenken, geschweige denn in euren Terminkalender zu schauen. Und schon habt ihr den Salat!

Das ich Sport mache, habt ihr dieser Website ja sicherlich schon entnommen. Meine größte Leidenschaft dabei ist der Triathlon. Zum Triathlon gehört bekanntlich auch das Radfahren und seit einigen Monaten macht mir das mitunter mehr Spaß als das Laufen, was eigentlich meine Paradedisziplin ist (sofern man bei meinen Zeiten davon sprechen kann). Der Grund dafür wohl darin, dass wir bei uns in Apen immer mehr Radfahrerinnen und Radfahrer an den Start gebracht haben und man dadurch eigentlich nie alleine fahren muss, wenn man nicht möchte. Dazu kommt noch ein gutes Winter Training auf der Rolle, über das ich bei Gelegenheit berichten werden.

 

Kommen wir aber jetzt zu meiner spontanen Zusage. Mein Radkumpel Stephan fragte irgendwann im Februar locker an, ob wir im Mai nicht die sogenannte Holländer-Tour in Ibbenbühren mitfahren wollen. "Das sind so um die 100 KM und 1.300 Höhenmeter" war seine Aussage. In meiner unbedarften Art sagte ich natürlich zu ohne mich vorher im Internet zu informieren geschweige denn den genauen Termin zu erfragen. Einzige Ausfluchtmöglichkeit: Regen! Im Regen fahre ich keine Berge. Was soll ich sagen, es regnete natürlich nicht. Ganz im Gegenteil, wir hatten 25 Grad und einen strahlendblauen Himmel. Also machten wir uns Ende Mai auf den Weg nach Ibbenbühren. Ich mit mächtig schweren Beinen!

 

Warum ich schwere Beine hatte? Nun, da ist wieder die Sache mit dem Termin, um den ich mir vorher keine Gedanken gemacht hatte. Dummerweise fiel dieser genau auf den Tag der dem Tag der letzten Etappe des Ossiloop folgen sollte! Und ich Trottel war in Topform!

 

Der Ossiloop ist DIE Laufveranstaltung im Ostfriesisch/Oldenburgischen Raum. 3.000 Teilnehmer, 6 Etappen (alle zwischen 10 und 12 KM), die jeweils Dienstags und Freitags innerhalb von drei Wochen gelaufen werden. Die ersten fünf Etappen hatte ich mich stetig verbessert und war in die Top 100 gelaufen. Das wollte ich natürlich halten und konnte die letzte Etappe somit nicht ruhig angehen lassen. Ich lief erneut Bestzeit, dachte mir aber den gesamten Lauf über Ausreden aus, warum ich am nächsten Tag nicht mitfahren könnte. Mir fielen keine ein. Am Ende war ich völlig fertig aber auf Platz 80 in der Gesamtwertung! Man muss Prioritäten setzen.

 

Die genaue Beschreibung, wie ich am nächsten morgen aus dem Bett gestiegen bin, erspare ich euch. Helden leiden leise. Als der nagelnde Diesel von Stephans  Opel Corsa jedoch auf unseren Hof fuhr hatte ich mehr Schimpfwörter im Kopf als hier genannt werden dürfen.

 

Nach der Ankunft dann direkt die erste Überraschung. Im Auto neben uns parkten meine Spinning Trainerin Silvia und Holger, ein weiter Bekannter aus unserem Dorf. Verrückte Welt! Bei der Einschreibung wurde uns dann aber direkt klar, warum das Ding "Holländer-Tour" heißt. Gefühlt waren wir die einzigen Deutschen unter den 2.500 Teilnehmenden. Alles war mega gut organsiert und meine Bedenken waren zwischenzeitlich komplett verschwunden, bis wir die Radkarte erhielten. Wir wollten ja die mittlere Runde fahren. Die war aber nicht 100 KM lang, sondern 130 KM und die hatte auch keine 1.300 Höhenmeter, sondern fast 2.000. Nun war es aber ja eh zu spät, also machten wir uns auf die Strecke, wo wir nach zwei Kilometern einen Kollegen von Stephan (der ebenfalls Stephan hieß) in unser Rudel aufnahmen.

 

Gleich der erste Anstieg nach ca. 3 Kilometern hatte eine Steigung von 25 Prozent. Freunde, wer wie ich im Ammerland aufgewachsen ist, wo man Samstagabend in der Ferne schon sehen kann, wer Sonntagnachmittag zum Kaffee kommt und für den Autobahnbrücken dem Mount Blanc ähneln, für den ist das die Hölle. Mit letzter Kraft und 4 Km/h Endgeschwindigkeit kam ich oben an. Und eines war mir klar. Noch ein so ein Ding und ich drehe direkt wieder um.

 

Die nächsten BERGE waren zwar moderater und am Fuße der jeweiligen Anstiege waren Schilder angebracht auf denen die steilste Steigung, die Durchschnittssteigung und die Länge des Anstiegs aufgeführt waren, sodass man sich seine Kraft entsprechend einteilen konnte aber am Ende musste man halt da hoch. Sofort hatte ich mir ein Ziel gesetzt: Niemals absteigen! Koste es was es wolle!

 

Nach 20 KM entschieden wir uns getrennt zu fahren und uns an den jeweiligen Verpflegungsstationen zu treffen. Die Leistungsunterschiede waren einfach zu groß! Das hat dann super geklappt und nachdem ich mein eigenes Tempo fahren konnte, hat es auch mehr Spaß gemacht. Trotzdem kommt irgendwann der Punkt, wo nicht nur die Beine müde werden sondern auch der Kopf langsam anfängt zu streiken. Bei mir war da so bei Kilometer 120. Als mich dann zwei Rentner am Berg mit ihren E-Bikes überholt haben war der Ofen aus. Ich hatte keinen Bock mehr. Allerdings folgte anschließend eine langgezogene Abfahrt auf einer breiten Landesstraße. Der Geschwindigkeitsrausch der entstand, als ich mit über 70 Km/h darunter gebrettert bin hat mir dann doch noch mal neuen Schub gegeben. Ich fand eine lustige Gruppe an die ich mich ran hängen konnte und gemeinsam sind wir mit 40 Sachen durch die Prärie gebrettert, während wir uns aus einem Kauderwelsch von Englisch, Plattdeutsch, Deutsch und Holländisch unterhalten haben.

 

Dann kam ein Schild auf dem vermerkt war, "noch 5 KM". Allerdings hatte ich da schon 130 KM auf dem Tacho und eigentlich mit dem Ziel gerechnet. Der nächste mentale Einbruch. Als es dann noch einmal bergauf ging, muss ich so dermaßen laut und nicht jugendfrei geflucht haben, dass die beiden Mädels aus der Gruppe so dermaßen anfingen zu lachen, dass sie am Ende vom Rad absteigen mussten. Sorry dafür! Auch ne geile Renntaktik von mir. Wenn ich euch nicht schlagen kann, sorge ich dafür, dass ihr aufgebt. Nach dem Anstieg kam dann endlich das ersehnte Ziel, wo Stephan und Stephan schon auf mich gewartet haben. Die Schmerzen waren da schon wieder vergessen und ich war überraschend fit.

Auf dem weg nach Hause haben wir dann die NDR2 Bundesligakonferenz gehört (soweit es der Antennenempfang von Stephans Corsa zugelassen hat). Der HSV stieg ab (für mich als Werderaner ein weiteres Highlight) und das Wochenende war perfekt. Nächstes Jahr fahre ich natürlich wieder mit. Vorausgesetzt es regnet nicht. Alles andere wäre ja auch völlig sinnfrei.